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Helene von Roeder, CFO von Vonovia
Wirtschaft & Unternehmen

Unternehmen ohne Nachhaltigkeitsstrategien sind ein Auslaufmodell

Investoren achten immer stärker auf alle Aspekte von Nachhaltigkeit – und erwarten zugleich attraktive Renditen. Helene von Roeder, Chief Financial Officer von Vonovia, erklärt im Interview, warum beides gut zusammenpasst und wie Nachhaltigkeit ihre Arbeit bestimmt.

Vita Helene von Roeder: 

  • Studium: Physik (München) und Astrophysik (Cambridge)
  • Karriere: Als Finanzexpertin bei der Deutschen Bank, UBS, Morgan Stanley und Credit Suisse
  • Status quo: Seit 2018 CFO der ­Vonovia SE

Text: Christian Buck | Fotos: Dominik Asbach



Helene von Roeder, CFO von Vonovia
Unter Beobachtung: Die Investoren wollen vom Vorstand ganz genau wissen, was Vonovia für Nachhaltigkeit tut.

Christian Buck: Wohnungsunternehmen stehen oft in der Kritik – besonders diejenigen, die an der Börse notiert sind. Woran liegt das?

Helene von Roeder: Das hat sicher etwas mit einem falschen Bild vom Kapitalmarkt und den Interessen von Investoren zu tun. Sie sind eben nicht auf schnelle Gewinne aus, sondern haben vielmehr klare Anforderungen an die Unternehmen, an denen sie sich beteiligen. Wir müssen darum das Narrativ verändern, das die Wohnungsunternehmen und ihre Investoren beschreibt. Dazu tragen wir bei, indem wir alle Aspekte von Nachhaltigkeit noch stärker in unseren Unternehmenszielen verankern.

Dafür brauchen Sie aber die Unterstützung Ihrer Anteilseigner. Wer sind die Investoren, denen Vonovia gehört?

Wir gelten an der Börse als ein eher defensiver Wert, manche sehen in uns sogar ein etwas langweiliges Papier – da unterscheiden wir uns von volatilen Geschäftsmodellen. Das spiegelt sich auch in der Zusammensetzung unserer Aktionäre wider: Neben dem sehr langfristig orientierten norwegischen Staatsfonds als unserem größten Aktionär haben auch verschiedene Pensionskassen in uns investiert, um einen soliden Titel in ihrem Portfolio zu haben. So kommt es, dass viele Deutsche mit einer privaten Altersvorsorge auch Anteilseigner von Vonovia sind. Geografisch betrachtet kann man sagen: Knapp zehn Prozent der Investoren kommen aus Deutschland; der Großteil kommt aus den USA, Großbritannien und dem Rest Europas. Ein Investor der ersten Stunde ist der Wellcome Trust, der auch bei der COVID-19-Forschung auf sich aufmerksam gemacht hat. Das ist eine gemeinnützige Stiftung, die medizinische Forschungsprojekte unterstützt.


Helene von Roeder, CFO von Vonovia
Unter Beobachtung: Die Investoren wollen vom Vorstand ganz genau wissen, was Vonovia für Nachhaltigkeit tut.

Sie haben Pensionskassen und den norwegischen Staatsfonds erwähnt. Aber auch für diese Investoren muss das Investment Gewinne abwerfen …

Diese Investoren denken wie wir: langfristig. Die meisten großen Anteilseigner sind seit unserem Börsengang an Bord, und ihre typischen Investitionshorizonte reichen von zehn bis über 30 Jahre. Der norwegische Staatsfonds ist ein gutes Beispiel: Seine Philosophie ist es, die Gewinne aus den Öleinnahmen des Landes so anzulegen, dass künftige Generationen davon profitieren. Hier reden wir von Zeithorizonten von 50, vielleicht sogar 100 Jahren. Genauso richten wir auch unser Unternehmen aus: Wir müssen mit unserem Handeln den langfristigen Erwartungen unserer Investoren gerecht werden.

Umgekehrt müssen Sie aber auch den Interessen Ihrer Mieter gerecht werden. Was haben sie davon, in einer Ihrer Wohnungen zu wohnen?

Von unserer Größe profitieren die Mieter ganz praktisch: Wir haben eine eigene Handwerkerorganisation, bei der man per App bequem einen Termin für Reparaturen buchen kann. Das kann ein privater Vermieter nicht bieten, und oft wartet man auf den Handwerker dann mehrere Wochen. Hinzu kommen die hohen Standards in puncto Unternehmensführung, Ethik und Nachhaltigkeit, die der Kapitalmarkt von uns erwartet. Unserer Verantwortung werden wir unter anderem durch unser Ü70-Versprechen und die Zusage gerecht, Wohnungen für ältere Mieter umzubauen.

Was sagen Ihre Investoren zu Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens?

Unser Engagement wird nicht infrage gestellt – im Gegenteil: Es ist sogar eine Bedingung des Kapitalmarktes, dass wir in allen Dimensionen nachhaltig handeln. Die Forderung ist in den vergangenen Jahren immer lauter geworden. Viele Investoren wollen nur noch in Unternehmen investieren, die einen Purpose haben – also ein präzises Bild davon, was sie zur Gesellschaft beitragen wollen.


Wir handeln im Interesse von Mietern und Gesellschaft

Helene von Roeder - Chief Financial Officer von Vonovia

Das klingt recht abstrakt. Wie erleben Sie das gestiegene Interesse der Investoren an Nachhaltigkeit ganz praktisch?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wenn wir auf Roadshow sind, dreht sich heute ungefähr das letzte Viertel jedes Meetings um Nachhaltigkeit. Denn die Investoren wissen sehr genau, was über uns in der Presse berichtet und in den sozialen Medien geschrieben wird. Sie wollen wissen, was wir etwa im Bereich Governance tun – also wie beispielsweise unser Aufsichtsrat besetzt ist, ob unser Führungsteam divers genug ist und wie wir die Compliance erfüllen. Es geht auch um soziale und ökologische Nachhaltigkeit: Welche Angebote machen wir unseren Mietern in Corona­-Zeiten? Welche Technologien gegen den Klimawandel sehen wir uns an? Was investieren wir in Forschung und Entwicklung? Solche gesellschaftlichen Fragen sind ebenso relevant wie unser Zahlenwerk.

Nachhaltig zu sein, ist nicht günstig – wie passt das zur erwarteten Rendite?

Rendite und Nachhaltigkeit passen besser zusammen, als wir denken. Denn Nachhaltigkeit hat viel damit zu tun, Ressourcen schonend einzusetzen. Wo kann ich Strom sparen? Kann ich klüger heizen? Solche Fragen stellen wir uns jeden Tag. Und so führt der Wunsch nach Nachhaltigkeit zu hoher Effizienz und damit auch zu attraktiven Renditen. Außerdem sind Unternehmensstrategien ohne Nachhaltigkeitsstrategien ein Auslaufmodell, weil sie von der Gesellschaft immer weniger akzeptiert werden.

Für diese Akzeptanz müssen Sie konkrete Erfolge nachweisen. Wie messen Sie Ihre Fortschritte bei der Nachhaltigkeit?

Zuerst haben wir eine Wesentlichkeitsanalyse durchgeführt und viele Stakeholder wie Mieterverbände, Wissenschaftler und Politiker befragt, welche Anforderungen sie an uns in Bezug auf Nachhaltigkeit haben. Im Mittelpunkt standen der Klimawandel, bezahlbares Wohnen und der demografische Wandel. Aufbauend auf dieser Analyse haben wir unseren Nachhaltigkeits-Performance-Index gebildet. Er hat für die Dimensionen „E“ wie Environment, „S“ wie „Social“ und „G“ wie „Governance“ konkrete Zielwerte, wie zum Beispiel die jährlich erzielte CO2-Einsparung im Gebäudebestand oder die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Mit Zustimmung der Hauptversammlung wird er künftig gleichberechtigt neben anderen Kennzahlen stehen. Die Vergütung für uns als Vonovia Vorstand wird künftig auch davon abhängen, wie gut die Anforderungen in den ESG-Dimensionen erfüllt sind.


Helene von Roeder, CFO von Vonovia
Helene von Roeder, CFO von Vonovia

Wollen Sie auch ESG-Finanzierungsinstrumente nutzen?

Das tun wir bereits. Wir finanzieren uns schon lange zu einem großen Teil aus Mitteln der KfW oder der Europäischen Investitionsbank, die an Nachhaltigkeitskriterien wie etwa CO2-Einsparungen geknüpft sind. Zusätzlich haben wir unseren ersten Green Bond am Kapitalmarkt platziert. Es ist die konsequente Fortschreibung unserer Nachhaltigkeitsstrategie und zukunftsorientierte Ergänzung unserer Finanzierungsstrategie, mit der wir bereits jetzt unsere Investorenbasis weiter ausbauen konnten. Der Bond war fünffach überzeichnet, was seine Attraktivität unterstreicht. Mit der zusätzlichen Liquidität aus grünen Anleihen werden wir in passende Projekte, etwa die energetische Sanierung, investieren.

Ist die energetische Sanierung der Schwerpunkt Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie?

Es gibt weitere Trends wie die alternde Gesellschaft. Klar ist, dass wir mehr Barriere-arme Wohnungen brauchen. Corona hat auch dazu geführt, dass die Menschen, die es sich leisten können, mehr Platz wollen. Eine deutschlandweite Studie, die wir nicht nur unter unseren Mietern durchgeführt haben, zeigt: Rund sechs Prozent der Befragten würden aufgrund von Corona gerne umziehen – und ich vermute, dass sie im Home­office arbeiten. Auch Balkone werden immer wichtiger: Während der Lockdowns haben wir viele Dankesbriefe für den Anbau von Balkonen bekommen.

Gab es wegen der Pandemie Probleme mit den Mietzahlungen?

Wir haben allen unseren Mietern ein Gespräch angeboten und schnell versichert, dass niemand um seine Wohnung fürchten muss, sollten Corona-bedingte Zahlungsschwierigkeiten auftreten. Erstaunlicherweise war die Resonanz minimal: Die meisten Mieter konnten ihre Miete weiterbezahlen. Das hat sicher mit dem Kurzarbeitergeld und dem guten sozialen Netz in Deutschland zu tun. Parallel dazu haben wir auch auf Mieterhöhungen und Räumungen verzichtet.


Mit welchen Entwicklungen außer dem demografischen Wandel und Corona sind Sie konfrontiert?

Ein Dauertrend ist die hohe Nachfrage nach Wohnungen und die zu geringe Bautätigkeit in Deutschland. Allein im Jahr 2020 ist dadurch der Wert unserer Immobilien um fast zehn Prozent gestiegen, hauptsächlich getrieben durch Angebot und Nachfrage. Maßnahmen wie der gerade für verfassungswidrig erklärte Mietendeckel in Berlin sind in dieser Situation keine Hilfe, sodass der fehlende bezahlbare Wohnraum eine große Herausforderung für Gesellschaft, Politik und Unternehmen bleibt. Mit dem Verzicht auf bis zu zehn Millionen Euro Mietnachforderungen in Berlin zeigt Vonovia übrigens, dass es auch als börsennotiertes Unternehmen möglich ist, sozial zu handeln und sich an den Zielen aller Stakeholder zu orientieren.

Was sollte man stattdessen gegen die steigenden Mieten tun?

Ich glaube an Angebot und Nachfrage. Derzeit bauen wir zu wenig und auch zu teuer, was die hohen Preise zum Teil erklärt. Außerdem haben wir ein Problem mit der Infrastruktur: Es ist immer noch zu umständlich, von außen in die urbanen Zentren zu kommen. An diesen Punkten müsste man ansetzen.

Die Menschen könnten ja auch kaufen, statt zu mieten. Gibt es einen Trend in diese Richtung?

Es gibt höchstens ein Trendchen: Pro Jahr nimmt die Quote der Eigentümer in Deutschland um etwa ein halbes Prozent zu, 2018 waren es insgesamt 46,5 Prozent. Zwar sagt jeder, dass kaufen im Prinzip besser sei als mieten – aber der Mietmarkt in Deutschland ist außergewöhnlich attraktiv: Die Wohnungen sind modern und komfortabel, die Mieten sind günstig und der Mieterschutz ist sehr hoch. Es gibt also wenig Grund, etwas zu kaufen. Darum rechne ich nicht mit einer Trendwende.

Zum Schluss eine persönliche Frage: Was macht die Arbeit für Vonovia besonders?

Das Besondere ist der Unternehmergeist, der überall zu beobachten ist. Jeder denkt darüber nach, wie man unsere Wohnungen besser, unsere Mieter zufriedener oder unsere internen Abläufe schneller machen kann. Wir arbeiten wie ein großes Start-up in dieser doch recht konservativen Branche. Und natürlich ist die Vermietung von Wohnungen ebenfalls etwas Besonderes: Wir tragen eine große Verantwortung – eben weil wir so nahe an den Menschen sind.



Grüner Pfeil

Green Bonds - Wertpapiere werden grün

Immer mehr Unternehmen setzen auf nachhaltige Finanzierungs­instrumente. Auch der Staat hat die grünen Anleihen entdeckt.

1. Erster Green Bond von Vonovia
Im März 2021 hat Vonovia den ersten Green Bond emittiert. Die grüne Anleihe hat ein Volumen von 600 Millionen Euro und bietet bei einer Laufzeit von zehn Jahren einen Zinssatz von 0,625 Prozent. Sie stieß auf großes Interesse und war fünffach überzeichnet.

2. Grüne Bundeswertpapiere
Am 2. September 2020 hat der Bund seine erste zehnjährige Grüne Bundesanleihe mit einem Volumen von 6,5 Milliarden Euro begeben. Am 4. November folgte die erste Grüne Bundesobligation (fünf Milliarden Euro). 2021 sollen Grüne Bundeswertpapiere mit einem Emissionsvolumen in der gleichen Größenordnung folgen.

3. Green Finance als neuer Trend
Derzeit vergeht kaum eine Woche, ohne dass eine neue grüne Unternehmensanleihe emittiert wird. Damit setzt sich das starke Wachstum des Marktes für grüne Finanzierungen aus den letzten Jahren fort: Allein 2020 wurden weltweit Green Bonds mit einem Volumen von 224 Milliarden Euro emittiert.


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