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Politik und Wohnen

Bezahlbarer Wohnraum und trotzdem nachhaltig? Jetzt ist zügiges Handeln wichtig

Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware. Dr. Eva Lohse, Vorsitzende des ZIA-Kommunalrats, fordert eine gemeinsame Anstrengung von Kommunen und Wohnungsunternehmen.

Text: Christian Buck Foto: Markus Hintzen



Dr. Eva Lohse, Vorsitzende des ZIA-Kommunalrats
Dr. Eva Lohse, Vorsitzende des ZIA-Kommunalrats

Christian Buck: Sie sagen, die Situation in den angespannten Städten und Gemeinden Deutschlands werde nahezu täglich schwieriger. Vor welchen Herausforderungen stehen diese Kommunen?

Eva Lohse: Die Immobilienmärkte in den Großstädten und Kommunen sind angespannt, vor allem in den Ballungsregionen. Darum ist es nötig, bezahlbaren Wohnraum anzubieten – insbesondere auch für breite Schichten der Bevölkerung oberhalb der Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus. Außerdem muss es leichter werden, Wohneigentum zu erwerben. Zudem ist zügiges Handeln wichtig: Es kann nicht sein, dass selbst einfache Baugenehmigungen über ein halbes Jahr dauern. Außerdem muss Bauland in ausreichendem Maße vorhanden sein und ausgewiesen werden.

Was können die Kommunen und die Immobilienwirtschaft für bezahlbaren Wohnraum tun?

Die Kommunen und die Wohnungsunternehmen müssen auf lange Sicht verlässliche Partnerschaften eingehen und gemeinsam die Sanierungen im Bestand vorantreiben sowie für ausreichend Neubau sorgen. Diese Partnerschaft ist von großer Bedeutung, denn auf dem Weg hin zu mehr bezahlbarem Wohnraum müssen Kommunen und Immobilienwirtschaft mehr voneinander wissen und stärker voneinander lernen – wenn es etwa darum geht, an welchen Stellschrauben man drehen muss, um schneller und trotzdem nachhaltig bauen zu können. Eine enge Zusammenarbeit hilft, Stolpersteine bei der praktischen Umsetzung gemeinsam aufzuzeigen und zu adressieren. Es bedarf zudem intelligenter Programme der Förderung dieser Aktivitäten.


Dr. Eva Lohse, Vorsitzende des ZIA-Kommunalrats
Dr. Eva Lohse, Vorsitzende des ZIA-Kommunalrats

Wie kann man den Wohnungsmangel am effektivsten bekämpfen?

Zeitgemäße Wohnungspolitik ist eine Herausforderung, die von allen gemeinsam getragen werden muss: von den unterschiedlichen Akteuren der öffentlichen Hand, von der Immobilienwirtschaft sowie den Bürgerinnen und Bürgern. Aus meiner Sicht müssen wir urbane Quartiere schaffen, in denen soziale Durchmischung und Vernetzung durch aktive Nachbarschaften gelingen. Dabei gilt zwar weiterhin der Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ – aber auch eine Stadterweiterung darf kein Tabu mehr sein.

Was heißt das konkret?

In manchen Regionen ist eine Baulandausweisung im Außenbereich notwendig. Diese sollte sich jedoch direkt an der vorhandenen Siedlungsstruktur orientieren. Man sollte über kompakte Stadterweiterungen am Stadtrand oder entlang der Magistralen und des öffentlichen Nahverkehrs nachdenken. Diese Vorhaben sollten mit großem politischem Willen umgesetzt werden. Vorrang hat auch hier eine Erweiterung an integrierten Lagen, die die vorhandene Infrastruktur nutzt und um neue Mobilitätsangebote ergänzt. Bei allen Bauvorhaben sollten die Beteiligung der Öffentlichkeit und die politische Diskussion fokussierter und kompakter werden, damit der Weg von den ersten Planungen bis zur Umsetzung möglichst kurz bleibt.

Wie lassen sich die Klimaziele der EU in den Kommunen umsetzen? Und was muss man tun, damit die Maßnahmen sozialverträglich bleiben?

Die Kommunen und die Immobilienwirtschaft bekennen sich zu den klimapolitischen Zielen der Bundesregierung. Das langfristige Ziel der weitgehenden Klimaneutralität bis 2050 schließt auch ein, dass beim Bau neuer Gebäude deren Beitrag zum Klima berücksichtigt wird. Alternative Mobilitätskonzepte sollten genutzt werden, um Lärm und andere Emissionen zu vermindern und durch regenerative Stromerzeugung die CO2-Bilanz zu verbessern. Dabei müssen die Gebäude so gebaut sein, dass überschüssige Energie für die Elektromobilität benutzt werden kann. Die zweite Herausforderung ist, günstiges Wohnen und effektiven Klimaschutz zusammenzuführen. Das kann nur gelingen, wenn man Förderprogramme, Abschreibungsmöglichkeiten und Ähnliches ausbaut.

Welche Auswirkungen hat Corona auf die Kommunen?

Die Folgen der Corona-Krise treffen uns alle und haben Auswirkungen auf unser gesamtes Leben. Auch unsere Städte beginnen, sich zu verändern. Insbesondere die Innenstädte haben unter den Folgen des Corona-Lockdowns im Frühjahr und des Shutdowns im November gelitten. Einzelhandel und Gastronomie spüren die Folgen am meisten. Hier müssen mit allen Beteiligten – Kommunen, Verwaltung und Politik, Vermieter und Immobilienwirtschaft, Einzelhandel und Mietern, Bürge-rinnen und Bürgern – Lösungen diskutiert und gefunden werden. Dies betrifft die Innenstädte, aber auch die Stadtteile mit den gewohnten Funktionstrennungen wie Wohnen am Stadtrand, Arbeiten und Einkaufen im Zentrum. Dieses Prinzip wird überdacht werden müssen: Die Zukunft der Städte liegt im Quartier mit einer Mischung aus Wohnen, Arbeiten und Einkaufen sowie lebendigen Gastronomie-, Freizeit- und Kulturangeboten. Das ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft der Innenstädte.