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Fahrradfahrer in der Stadt
Politik & Wohnen

Klimaneutral Wohnen bis 2030? So gelingt der Systemwechsel!

Immer mehr Menschen leben in den urbanen Zentren. Doch viele Altbauten werden zu Hotspots für CO2-Emissionen. Wie kann Wohnen trotzdem klimaneutral werden? Gefragt sind darum nachhaltige Lösungen, um den Klimawandel schnell zu stoppen.

Text: Axel Novak



Däne müsste man sein – und am besten in der Hauptstadt Kopenhagen leben. Dann bräuchte man sich keine Gedanken darüber zu machen, wie tief der CO2-Fußabdruck ist, den jeder Mensch allein für die Heizung und Beleuchtung seiner Wohnung hinterlässt. Denn Kopenhagen will bis zum Jahr 2025 CO2-neutral sein. Dafür planen die Dänen Fahrradwege, bringen Solarpaneele auf die Dächer und errichten neue, umweltfreundlichere Kraftwerke. Kopenhagen steht damit längst nicht allein: Weltweit sind Städte dabei, mit neuen Ansätzen den Klimawandel zu verlangsamen und immer mehr klimaneutral zu werden. Grüne Viertel im Stadtzentrum, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Umstellung der Energieversorgung auf nachhaltige Quellen sind dafür Beispiele.

Städte spielen eine zentrale Rolle beim Kampf gegen den Klimawandel, denn der Energieverbrauch für das Wohnen – vor allem für die Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser – macht allein in Deutschland mehr als ein Drittel des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen aus. Wer diese Emissionen verringern will, muss entweder die Innenraum­-Temperaturen massiv absenken, neue CO2-freie Energiequellen finden oder Gebäude völlig anders planen – und zwar schnell: Im Gebäudesektor in Deutschland sollen die Treibhausgasemissionen von 118 Millionen Tonnen im Jahr 2018 bis 2030 auf 67 Millionen Tonnen sinken, also um rund 43 Prozent. So hat es die Bundesregierung im Mai 2021 beschlossen.


Photovoltaikanlage
Die wachsenden Städte weltweithaben einen enormen Energiehunger. Sie benötigen darum in Zukunft nachhaltige Energiequellen wie Wind und Sonne.
Photovoltaikanlage
Die wachsenden Städte weltweithaben einen enormen Energiehunger. Sie benötigen darum in Zukunft nachhaltige Energiequellen wie Wind und Sonne.

Klimaneutrales Wohnen ist gar nicht so einfach

Im Gebäudebereich ist der Weg zur Klimaneutralität allerdings besonders steinig. Schon der Neubau von nachhaltigen klimafreundlichen Wohnungen und Siedlungen ist keine leichte Aufgabe – noch größer ist die Herausforderung bei der Sanierung des Bestandes. Denn Deutschlands Städte zeichnen die Geschichte des Landes nach: Fast jedes siebte Wohngebäude wurde vor dem ersten Weltkrieg, zwei Drittel der Wohnungen vor 1980 errichtet. Damals hat das Thema Nachhaltigkeit noch keine Rolle gespielt – kein Wunder also, dass der Energieeinsatz bei Wohnungen je Quadratmeter im Schnitt rund 47 Kilogramm CO2 emittiert.

„Vor allem moderne Heizungstechnik trägt dazu bei, CO2-Emissionen massiv zu reduzieren, denn Raumwärme und Warmwasser machen rund ein Drittel unserer Endenergieverbrauchs aus“, sagt Prof. Dr. Hans-Martin ­Henning, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE. Würden Heizungen, Fenster und Dämmung nach heutigem Stand der Technik erneuert und Solaranlagen integriert, könnten die Emissionen auf rund 15 Kilogramm sinken. Mit grüner Fernwärme, Wasserstoff statt Erdgas und einer sektorübergreifenden Vernetzung der erneuerbaren Energiequellen ließen sie sich sogar klimaeffizient auf unter fünf Kilogramm verringern.



Nahverkehr in Zürich
Zürich erreicht Spitzenwerte beim öffentlichen Nahverkehr und bei der Luftqualität. 75 Prozent der Wege werden dort mit nachhaltigen Trans-portmitteln zurückgelegt.

Vorreiter Niederlande: Klimaneutral dank fortschrittlicher Sanierung

Die Niederlande sind auf diesem Gebiet schon einen Schritt weiter. Zum Beispiel in der Nolensstraat 36 in Wageningen, einem kleinen Städtchen am Niederrhein: Dort steht ein Gebäude aus den 1960er-Jahren mit 20 Wohneinheiten, das die Eigentümergemeinschaft zwischen September 2019 und Januar 2020 modernisiert hat. Sie wandte sich dafür an die Energiesprong-Initiative, deren Ansatz sich bei mehr als 5.000 Häusern bewährt hat. Weil die Bauteile vorgefertigt und in kurzer Zeit montiert wurden, konnten die Bewohner im Haus wohnen bleiben. Ein enger Austausch mit der Sanierungsfirma verhinderte Klagen wegen Lärm und Müll. Mit dem Ergebnis sind die Bewohner zufrieden. Zwar sind Zusatzkosten entstanden, zugleich verringerten sich aber die Ausgaben für Strom und Wärme, sodass die Bewohner kaum mehr als vor der Sanierung zahlen.

Solche Ansätze könnten auch Deutschlands Sanierungsquote verbessern. Darum will die dena die Idee aus den Niederlanden mit Wohnungsunternehmen wie ­Vonovia testen. „Sanierung muss einfach, bezahlbar, schnell und gut werden – das könnte mit einer seriellen Sanierung wie beim Energiesprong gelingen“, sagt ­Bigalke. „In Deutschland bieten sich dafür rund 300.000 Gebäude aus den 50er-, 60er- und 70er-Jahren an. Wenn wir das Verfahren bis 2050 in der Breite umsetzen, könnten wir rund 30 Millionen Tonnen CO2 einsparen.“ ­Vonovia testet die Energiesprong-Idee: In Bochum soll ein Mehrfamilienhaus aus dem Jahr 1955 saniert werden – in kurzer Zeit und ohne die 24 Mietparteien übermäßig zu beeinträchtigen.


Nahverkehr in Zürich
Zürich erreicht Spitzenwerte beim öffentlichen Nahverkehr und bei der Luftqualität. 75 Prozent der Wege werden dort mit nachhaltigen Trans-portmitteln zurückgelegt.

Klimafreundlich Wohnen ohne Mehrkosten für Mieter

Ein Teil des Systemwechsels für die Klimaneutralität betrifft auch die Einbindung der Mieter. „Der Staat gibt klima­politisch Sinnvolles vor, aber irgendwer muss am Ende bezahlen“, sagt Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes. „Heute werden Vermieter und Mieter bei Sanierungen alleingelassen.“ Dabei gebe es Möglichkeiten, den Prozess zu unterstützen, etwa durch mehr steuerliche Abschreibungen oder direkte Zuschüsse vom Staat. „Sinnvoll wäre es, wenn der Mieter, der Vermieter und der Staat jeweils ein Drittel beisteuern würden“, sagt Siebenkotten. Vonovia hat das Problem erkannt: „Wir werden unsere Kunden nicht mit den Modernisierungskosten überlasten“, so Frederic Neumann, Geschäftsführer Süd. „Darum haben wir umgesteuert und begrenzen die Mehrkosten für unsere Mieter.“

Eine weitere Möglichkeit zur Finanzierung von Sanierungen ist Mieterstrom. Die Idee: Mieter nutzen den Strom, der auf ihrem Dach erzeugt wird. Allein Vonovia errichtet im Jahr circa 100 Photovoltaikanlagen mit einer Kapazität von rund fünf Megawatt. Doch noch ist die Umsetzung von Mieterstrom technisch und regulatorisch sehr aufwendig und kostenintensiv. „Wir müssen Quartiere als aktiven Teil der Energiewende verstehen und die komplexe Regulatorik vereinfachen“, fordert Buch. Dazu gehört eine dezentrale Energieversorgung über Gas, Wasserstoff oder Photovoltaik. Aber auch eine andere Mobilität, um auch dort die CO2-Emissionen zu senken: Künftig sollen die Quartiere neue Mobilitätskonzepte wie Elektrofahrzeuge im Car-Sharing oder Ladeboxen bieten.
„Wir haben die Kraft und den Willen, unsere Klimaziele umzusetzen und damit dem gesamten Immobilienmarkt einen Schub beim Klimaschutz zu geben“, so Buch auf der Klimakonferenz in Berlin. Dabei erhält er Rückendeckung von der Politik: „Wir stehen vor einer Zeitenwende, die ungewöhnliche Schritte erfordert“, erklärte

Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen im Deutschen Bundestag, auf der Vonovia Veranstaltung. „Wir müssen das Problem gemeinsam anpacken und an einem Strang ziehen.“ Und es scheint tatsächlich, als stehe eine stille Revolution an. Gut möglich also, dass man bald nicht mehr nach Dänemark oder in die Niederlande schauen muss, um klimaneutrale Vorreiter bei der CO2-Vermeidung im Gebäudesektor zu finden.


Energiesprong Projekt

3 Fakten zu klimaneutralem Wohnen

Mehr als 5.000 Häuser wurden in den Niederlanden nach dem Energiesprong-Prinzip saniert. Nun testet Vonovia das Modell in Deutschland.

1 Ganzheitlicher Ansatz
Die Energiesprong-Initiative in den Niederlanden hat einen neuen Ansatz entwickelt, um Sanierungen schneller, günstiger und effizienter durchzuführen. Mieter profitieren von weniger Lärm und Müll während der Bauarbeiten.

2 Kooperation mit Kommunen
Bei Energiesprong arbeiten Eigentümer, Handwerker und Kommunen Hand in Hand. So bürgt bei Sanierungen in den Niederlanden die Gemeinde häufig für die nötigen Bankkredite.

3 Zusatzkosten senken
Nach dem digitalen Aufmaß des Hauses fertigen die Baufirmen Dach, Fassade oder Fenster für die Sanierung vor und montieren sie später auf der Baustelle passgenau. Das senkt die Sanierungskosten um bis zu 40 Prozent, zugleich verringert sich die Zeit für die Bauarbeiten auf zwei Wochen.

Energiesprong
Weitere Informationen finden Sie unter: www.energiesprong.de


Energiesprong Projekt


Dresden Leuben
Photovoltaik-Anlagen von Vonovia in Dresden.

1.300 Dächer für den Klimaschutz

Klimaneutraler Grünstrom vom Dach: Davon können das Klima und Mieter gleichermaßen profitieren. Vonovia hat so im Jahr 2020 bereits 2.700 Tonnen CO2 eingespart

Vonovia hat mittlerweile 1.300 Dachflächen mit Photovoltaik­modulen ausgerüstet und treibt so die Energiewende in den Quartieren voran. Das Ziel des ambitionierten Programms: Wo immer die Bedingungen es zulassen, sollen Dachflächen mit Photovoltaik-Modulen ausgestattet werden. Pro Jahr will das Unternehmen rund 15 Gigawatt­stunden Solarstrom erzeugen – was ausreichen würde, um rund 3.750 Haushalte zu versorgen. Der Solarstrom wird in das öffentliche Netz eingespeist, bei einigen Pilotprojekten können Mieter über den Vonovia Energie Service auch direkt mit dem Grünstrom vom Dach beliefert werden.


Dresden Leuben
Photovoltaik-Anlagen von Vonovia in Dresden.